Wissenswertes: „Angst – unser Lieblingsfeind?“
Eine kleine Begriffsdefinition vorab: Wikipedia erklärt uns Angst als ein sog. „Grundgefühl“. Darunter versteht man Basisemotionen, die als Bestandteil jeder menschlichen Existenz angesehen werden und in allen Kulturen anzutreffen sind. Freude und Traurigkeit gehören zum Beispiel auch zu den sog. Grundgefühlen. Angstauslöser sind empfundene Bedrohungen der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes.
Schon jetzt wird klar: völlig angstfrei zu leben ist unrealistisch und außer in sinnentleerten Slogans nicht anzutreffen. Und zwar darum, weil Angst auch eine evolutionsgeschichtlich wichtige Aufgabe hat(te): unser Überleben zu sichern.
Wer auf der Hut war, bemerkte reale Gefahren früher und konnte sich schneller in Sicherheit bringen oder besser wehren. Wie so oft ist das von der Dosis abhängig: zuviel lähmt und blockiert uns – zu wenig nützt nichts, was hier in diesem Erklärungsmodell also auch einen Nachteil bedeutet.
Ein Alltagsbeispiel dafür wäre eine Prüfungssituation. Wir wissen, dass eine gewisse Angespanntheit und auch Fokussiertet während Tests die Resultate durchaus verbessert. Das gilt sowohl für sportliche als auch für geistige Leistungen. Herzfrequenz ist erhöht, Atmung rascher und bei Geübten tiefer, Konzentration ist geschärft, Muskulatur hat eine höhere Vorspannung usw. Panik jedoch, also ein Übermaß davon, lässt uns nicht mehr klar denken, lähmt und blockiert alle Reaktionen, die nicht rein der Sicherheit dienen. (also z.Bp. Wegrennen vor der Prüfungssituation)
Somit haben wir es hier mit einer Dosis-Frage zu tun. Das alleine erklärt aber noch nicht, weswegen viele Menschen schon bei geringen Auslösern oder manchmal sogar ohne klar erkennbaren Anlass existentielle Angst empfinden können. Das passiert nicht „ohne Grund“! Ein Grund dafür kann sein, dass wir früher einmal, und das kann Jahre oder Jahrzehnte zurück liegen, in einer traumatisierenden Situation waren, also heftige körperliche, geistige, seelische Verletzung erlebt haben – und damals keine angemessene Reaktion möglich war.
Waren wir bedroht, konnten uns aber wehren oder in Sicherheit bringen – oder wurde uns durch andere Sicherheit und Schutz gegeben – dann resultiert daraus in aller Regel keine spätere leidvolle Einschränkung. Gab es aber kein Entkommen und keine Hilfe, schaltet unser Gehirn auf ältere Überlebenssicherung zurück: wir erstarren. Und der Schrecken erstarrt quasi verkörpert in uns, abgekapselt und unerreichbar. Wir können darüber oft nicht sprechen, weil der dafür zuständige Bereich des Gehirns ausgeschaltet wurde und wird. Und zeitlich einordnen und somit in die Vergangenheit bringen lässt sich das Erlittene auch nicht. Darum reichen für andere und oft uns selbst unerklärlich geringe Auslöser, um den Körper in das alte Entsetzen zu katapultieren (flash-backs). Hier braucht es professionelle Hilfe, Schutz, Sicherheit und Verständnis mit uns für sich selbst aufzubringen und schrittweise zu heilen.
Sehr oft aber haben wir es gottseidank nicht mit Traumata zu tun – und erleben dennoch einschränkende Angst. Meist ist dann die Angst vor der Angst ein Thema! Auch hier kann uns der Körper sowohl das Problem aufzeigen – als auch einen Lösungsweg. Wenn wir, gut begleitet von einem entsprechenden Helfer, unsere Körperreaktionen verstehen und spüren lernen, anerkennen, dass Herzklopfen zum Beispiel auch bei Freude und Bewegung auftritt – und nicht der rasche Herzschlag schon eine Falltür in Panik öffnet – dann können wir unsere ganz normale menschliche Angst besser einordnen und mit ihr besser umgehen.
Wir brauchen sie – und somit Teile von uns selbst – nicht mehr zu bekämpfen, fernzuhalten und zu fürchten. Stattdessen nehmen wir sie wahr, als das, was sie ist: ein menschliches Grundgefühl, oft durchaus hilfreich. Wir überlassen ihr auf unserem Lebensweg nicht ständig das Navi! Sie wird also, was sie ist: ein Teil – aber nicht der alles bestimmende Teil. Und so können wir mit unserer Angst gut leben.